Sonntagmorgen, das ist für Yves und mich die Zeit in der Woche, in der wir es uns gut gehen lassen. Wir bleiben dann noch ein Weilchen länger im Bett, schlafen mal so richtig aus, blättern verschwenderisch in der Zeitung, besinnen uns, dass wir leben. Aber Sie wissen, wie das ist, wenn man Kinder hat: Das Bedürfnis nach Entspannung und Zärtlichkeit bleibt oft ein unfrommer Wunsch. Und körperlich geht es auch bergab: Einst perfekte Drei-Sterne-Bälle, kommen mir Yves´ Brüste heute wie schlaffe Murmeln von Schildkröt vor.
Ich erwachte um halb Neun. „Einen Ausflug machen, einen Ausflug machen!“, plärrte mir Nicolas ins Ohr und zog entschieden an der Bettdecke. Dieser Lump! Immerhin: Er brachte mir ein Rosinenbrötchen ans Bett. „Was ist mit deinen Geschwistern?“, brummte ich, „sind die auch schon wach?“. „Sie warten schon im Auto“, antwortete Nicolas. „David streitet sich mit Marco, wer vorne sitzen darf“. „Kinder!“, stöhnte ich und rollte mit den Augen. Vorsichtig robbte ich an Yves heran, der immer noch keine Anstalten machte, aufzustehen. „Willst du nicht mit?“, fragte ich sanft. „Nein, mir geht es nicht so gut“. „Was meinst du, sollen wir trotzdem fahren?“. „Fahrt ruhig“, sagte Yves. „Ihr könnt ja noch Onkel Oliver mitnehmen“. Nicolas schrie vor Begeisterung auf: „Au ja“ rief er, stürmte aus dem Zimmer und teilte die Neuigkeiten direkt seinem Bruder Bryan mit. Bryan ist unser Ältester, wobei ich irgendwie den Verdacht habe, dass Yves mir da ein Kuckucksei ins Nest gelegt hat. Ja, er sieht mir schon ähnlich, aber er hat noch buschigeres Haar als ich. Werde beizeiten mal ein ernstes Wörtchen mit meinem „Doppelpartner“ reden.
Dann ging es los. Blendende Stimmung während der Fahrt. „Wo simmern?“, scherzte Bryan pausenlos. Auf der Rückbank krakeelten Nicolas und der kleine David. „Nicolas kneift mich!“ – „David hat aber angefangen“ – „Stimmt gar nicht“ – „Wohl“. So ging das in einer Tour, bis Bryan „Time Out!“, brüllte und beide in den Schwitzkasten nahm. Marco indes hatte nur Augen für seinen neuen Walkman oder was das ist, „I-Touch“. Er ist gerade in einem ganz schwierigen Alter. Sowieso: Marco, was ist das überhaupt für ein Name, und Nicolas erst. Hat Yves alle ausgesucht. Ich war für „Sriver FX“, „Tschoallez“, „Schupf“ und „Chen Zhibin“, aber er muss ja immer das letzte Wort haben!
Wir fuhren durch die frühwinterliche Kälte. Ich hatte mir ein kleines Nikolausgeschenk für die Jungs überlegt, bei Freunden in Mendig angerufen und ein Tischtennisspiel organisiert. Seit ich zum letzten Weihnachtsfest für die ganze Rasselbande Schläger bei Karstadt gekauft habe, haben sie nichts anderes mehr im Kopf. Wir kamen in Mendig an, und dann ging es auch schon los, Doppel zuerst. „Ich möchte mit Onkel Oliver spielen!“, brüllten alle fast zeitgleich. „Kinder!“, stöhnte ich und rollte mit den Augen. Glücklicherweise löste Oliver selbst die Situation, indem er sagte, dass er nur mit dem kleinen David spielen würde, die anderen Kinder möge er nicht besonders. Bryan ging mit Marco an den Tisch, „unser erstes Doppel“, sagte ich dem Schiedsrichter stolz, Nicolas durfte sich an der Seite seines Vaters behaupten. Wir verloren allerdings fast allesamt, Bryan und Marco klar, sie spielen noch nicht so gut, Nicolas und ich ganz knapp. Onkel Oliver und der kleine David halfen uns aus der Patsche, sie gewannen. Claus schickte eine Glückwunsch-SMS: „Wow. Claus“.
In den Einzeln durfte Bryan als erster ran. Er gewann. Nicolas verlor dann leider gegen Guohui Wan. Onkel Oliver gewann, dann auch Marco (wichtig für den Jungen). Ich gewann auch, wuhu. Der kleine David leider nicht. 5:4 nach dem ersten Durchgang. Claus schickte eine Glückwunsch-SMS: „Wow. Claus“. Dann durften fast alle nochmal, außer dem kleinen David. „Es reicht für heute“, erklärte ich ihm ernst, denn er hatte verloren und Schande über die Familie gebracht. Am Ende hatten wir neun Punkte und die anderen nur fünf (?). Nur Onkel Oliver verlor, diese Pfeife. Er versaut auch bei unseren Familienfesten immer die Stimmung. Bryan hingegen war ganz toll, er gewann gegen Guohui Wan. Claus ließ sich zu einer euphorischen Glückwunsch-SMS hinreißen: „Wow. Claus“.
Dann fuhren wir wieder nach Hause. Dort fielen alle Yves um den Hals. War ja klar: Man macht mit den Sprösslingen die schönsten Ausflüge, und letztlich interessieren sie sich doch nur für ihre Mutter. Kinder.
Von
David Weber